Viele Autoren benutzen gerne Sprachschablonen, weil diese geläufigen Vokabeln angeblich Wahrheiten verkünden und an vorhandene Gedanken ankoppeln. Tatsächlich sind solche Ausdrücke weder originell noch inhaltsreich oder dynamisch. Solange der ein oder andere Journalist mit Sprachschablonen lediglich Zeilen schindet, richtet er keinen großen Schaden an. Manche Experten trennen nicht scharf zwischen den Fachbegriffen: Sie verstehen unter Sprachschablonen lästige Gemeinplätze wie sinnlose Hinzufügungen (»im Endeffekt«, »in der Situation vor Ort«), bürokratische Wortschöpfungen (»Postwertzeichen«, »Maßnahmen ergreifen«) und populäre Floskeln (»Rotstift ansetzen«, »Zug ins Rollen bringen«). Strenger definiert bilden Wörter und Sätze Sprachschablonen, wenn sie inhaltlich Stereotype vertreten und Muster liefern: Sie verallgemeinern Sachverhalte, anstatt sie zu veranschaulichen.
Als gesellschaftliche oder politische Phrasen betäuben Sprachschablonen die Kritikfähigkeit und manipulieren die Leser. Entlang von Sprachschablonen entstehen also leicht Vorurteile und Vorbehalte. Sprachschablonen taugen eher selten dazu, komplexe Zusammenhänge in Meldungen und Berichten zu erläutern. Ebenso passen sie nicht in flexiblere Textsorten wie Reportagen und Features, denn Sprachschablonen vermitteln beabsichtigt oder unbeabsichtigt Wertungen. Ihr nebulöser Charakter schadet besonders nachrichtlichen Beiträgen: Diese Artikel sollen sachlich informieren und die Ereignisse sowie Zusammenhänge verständlich darstellen – auf Basis der journalistischen W‑Fragen »Wer?«, »Was?«, »Wann?«, »Wo?«, »Wie?«, »Warum?« und »Woher?«. Sprachschablonen verhindern detaillierte Antworten auf die konkreten Fragen. Wie viele Autoren lieben dieses Stilmittel, weil sie Schwächen der Recherche überdecken wollen?
Von einer starken Verbreitung von Sprachschablonen in den Medien profitieren Politiker: Argumente scheinen überflüssig zu sein, wenn Begriffe wie »Bürgernähe«, Flüchtlingswelle«, »Steuergerechtigkeit« und Wachstum« fallen. Journalisten sollten nicht solche Pauschalbotschaften und Parolen für eigene Formulierungen übernehmen. Dabei verlangt niemand von ihnen, auf farbige Sprache zu verzichten: Nach wie vor schmücken Alliterationen, Bilder, Metaphern, Oxymorone und andere rhetorische Tricks etwa Glossen, Interviews, Kommentare und Porträts.
Sprachschablonen sind indes nicht immer sinnlos. So dienen sie als Gedächtnisstütze und begünstigen angemessene Reaktionen in Krisen wie bei Unfällen oder Bombendrohungen. Der eingängige Aufbau kann die Kommunikation etwa auf Warnungen und Aufforderungen verkürzen: »Bewahren Sie Ruhe!« und »Schnelles Handeln ist angesagt!«.